Aus der Redaktion
Vielleicht wundern Sie sich über das unsymmetrische Titelbild. Es wurde mit Bedacht gewählt, um die Ähnlichkeit der 1956 eingeführten Uniformen der Nationalen Volksarmee der DDR mit den Wehrmachtsuniformen zu zeigen. Die bisher noch nicht in dieser Ausführlichkeit behandelte Entwicklungsgeschichte der NVA-Uniformen finden Sie in diesem Heft. Die Grundlage bildeten bisher teilweise unbekannte Unterlagen, die sich in Privatbesitz befanden und inzwischen dem Bundesarchiv übergeben wurden.
Das in der NVA und in der Bundeswehr getragene Käppi findet sich bereits um 1860 im Militär verschiedener deutscher Staaten als schiffchenförmige Lager- oder Feldmütze. Ebenso wie der NVA-Beitrag zeigt auch dieser Artikel, dass es durchaus weiterhin neue und überraschende Erkenntnisse auf dem Gebiet der Uniformkunde gibt. Die gewissenhafte Auswertung zeitgenössischer Fotos hat den Autor zu diesem Beitrag inspiriert. Die hervorragende Bebilderung mit bisher teilweise noch nie veröffentlichten Originalstücken erfolgte durch die aktive Unterstützung einer Reihe von Mitgliedern unserer Gesellschaft.
Doch auch alle anderen Beiträge möchten wir Ihnen ans Herz legen und hoffen, dass Sie Ihr Interesse finden. Falls Sie ein Themengebiet vermissen und auf diesem Gebiet Experte sind, schreiben Sie es nieder, fertigen Sie ansprechende Fotos an und nehmen mit uns Kontakt auf!
Diesen Weg sind Peter Hauschild vom Militärhistorischen Museum der Bundeswehr Dresden, Siegfried Nübel und Dr. Immanuel Voigt gegangen, die wir in diesem Heft als neue Autoren herzlich begrüßen. Wir hoffen, dass sie uns mit weiteren interessanten Beiträgen bereichern.
Ihr Werner Trolp und Ulrich Herr
Nachfolgend lesen Sie hier Auszüge von drei beispielhaften Beiträgen in unserer Zeitschrift Nr. 495:
Von Khaki über Grau-Grün zu Steingrau.
Die Umwandlung der Kasernierten Volkspolizei in die Nationale Volksarmee und die Frage der Uniformierung 1955/56
von Frank Wernitz
Anfang 1956 fand im sowjetischen Sektor Groß-Berlins, der seit 1949 als Hauptstadt der jungen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) firmierte, eine Präsentation statt, die sich wohl niemand in der Kapitale entgehen lassen wollte. In dem fünf Jahre zuvor an der neu angelegten Stalinallee errichteten ersten repräsentativen Mehrzweckbau, der Deutschen Sporthalle, erhielten die Bürger erstmals Gelegenheit, die Uniformen, Dienstgradabzeichen und Effekten der am 18. Januar 1956 durch Beschluss der Volkskammer der DDR geschaffenen Nationalen Volksarmee (NVA) unmittelbar in Augenschein zu nehmen.
Das Erstaunen der Besucher muss groß gewesen sein, in den Ausstellungsräumen Schaufensterpuppen mit Uniformen vorzufinden, die sich von denen der Reichswehr und Wehrmacht kaum unterschieden, zumal die Dienstbekleidung der Vorläuferorganisation der neuen Volksarmee bislang stark am sowjetischen Vorbild ausgerichtet war.
Grundlage für das künftige äußere Erscheinungsbild der Angehörigen der Streitkräfte des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden bildete die von den Delegierten der Volkskammer ebenfalls am 18. Januar 1956 einmütig verabschiedete Drucksache Nr. 64, der „Beschluss über die Einführung der Uniform für die Nationale Volksarmee“. Mit diesem Papier bestätigten sie die bereits im Dezember 1955 getroffene Entscheidung der Staatsführung, bei Überführung der seit 1952 militärisch gegliederten Kasernierten Volkspolizei (KVP) in die NVA und der damit erforderlich gewordenen Umkleidung auf Uniformen zu setzen, „die den nationalen Traditionen unseres Volkes entsprechen […] und […] sich fest in das Gedächtnis unseres Volkes eingeprägt [haben].“ Doch wie konnte es dazu kommen, dass das Politbüro als eigentliches Machtzentrum des neuen „Friedensstaates DDR“ einer Uniform den Vorzug gegeben hatte, in der nach herrschender Meinung diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs „Tausende von Unmenschen […] gemordet, geschändet, geplündert“ hatten?

Der Weg zu einer „deutschen Uniform“ 1952–1955
Möchte man den Erinnerungen des damaligen Chefs der KVP und späteren Ministers für Nationale Verteidigung der DDR Heinz Hoffmann (1910–1985) Glauben schenken, kam die Idee aus dem Kreml. Anlässlich der Unterzeichnung des institutionell auf die Sowjetunion zugeschnittenen Warschauer Vertrages, der als Gegengewicht zur amerikanisch dominierten North Atlantic Treaty Organization (NATO) wie auch zu den am 5. Mai 1955 ratifizierten Pariser Verträgen und der damit verbund nen Einbeziehung der Bundesrepublik in das westliche Militärbündnis, aus der Taufe gehoben wurde, kam es zu einer Begegnung zwischen dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikolaj Alexandrovič Bulganin (1895– 1975) und dem KVP-Chef. Als der Russe den Deutschen in seinem vorschriftsmäßigen khakifarbenen Dienstanzug der Kasernierten Volkspolizei erblickte, der sich kaum von dem der anwesenden sowjetischen Offiziere unterschied, trat Bulganin zurück, musterte den Anzug und fragte ihn, ob er eine sowjetische oder deutsche Uniform tragen würde? Die Frage brachte Hoffmann in Verlegenheit, hatte doch die Besatzungsmacht drei Jahre zuvor bei den aufzustellenden paramilitärischen Polizeikräften zu Lande und in der Luft (Volkspolizei Luft) noch auf Einführung von Uniformen bestanden, die in Schnitt und Farbe denen der Roten Armee entsprachen. Die DDR hatte nie eine Chance für einen eigenen Weg, da sie seit Bestehen ein integraler Bestandteil des sowjetischen Herrschaftssystems war…[Fortsetzung im gedruckten Heft]

Die Verbreitung der schiffchenförmigen Lager- und Feldmütze in Deutschland bis 1871
von Hans-Dieter Zimmer
Die schiffchenförmige Lager- und Feldmütze, später auch als Käppi oder Schiffchen bezeichnet, ist eine in der Uniformkunde meist wenig beachtete Kopfbedeckung, die aber schon lange im Gebrauch ist und eine weltweite Verbreitung bis zum heutigen Tag erfährt.
Der Ursprung der Kopfbedeckung im deutschsprachigen Raum liegt in Österreich. Dort wurde die Lagermütze ursprünglich für Unteroffiziere und Mannschaften der Fußtruppen, der Artillerie und des Militärfuhrwesens aus abgelegten weißen Monturen mit lichtblauen Vorstößen an den beiden abklappbaren Seitenteilen hergestellt und gemäß Adjustierungsvorschrift von 1840 mit der Kompanienummer versehen. […]

Die österreichische Lagermütze diente dann in verschiedenen deutschen Staaten als Vorbild. So wurde im Königreich Hannover durch General-Order vom 20. Juni 1864 für Feldmützen ein entsprechendes neues Modell befohlen. Die Mützen waren für die Infanterie aus dunkelblauem Tuch mit roten Vorstößen, der Rand herunterklappbar. Im Gegensatz zum österreichischen Modell befand sich vorn die Landeskokarde. […] Es gibt zeitgenössische Fotos, die belegen, dass die neue Kopfbedeckung auch von Offizieren verwendet wurde.

In Württemberg wurde unter König Karl 1864 eine neue Uniform nach österreichischem Vorbild eingeführt. Als Muster ließ man sich verschiedene Uniformstücke aus Wien schicken, darunter auch eine bootsförmige Lagermütze. Zwei in Details voneinander abweichende Lagermützen württembergischer Provenienz sind bekannt, die vermutlich als Muster dienten. […] Jedoch wurde die Lagermütze nicht in der württembergischen Armee eingeführt.
Im Großherzogtum Baden scheint ebenfalls mit der Lagermütze experimentiert worden zu sein. Jedoch ist dazu bisher nur ein zeitgenössisches Foto überliefert. Diese Aufnahme zeigt drei badische Infanterieoffiziere, die sich im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 in Muhlhouse im Atelier von Mathias Kohler fotografieren ließen… [Fortsetzung im gedruckten Heft]

Waffen für den Tenno – Zur Lieferung von Dreyse-Zündnadelgewehren nach Japan
von Peter Hauschild

[Der Autor gibt zu Beginn eine ausführliche historische Einordnung, insbesondere seit dem die jahrhundertelange Abschottung zur Mitte des 19. Jahrhunderts endete. Japan erfuhr mit der Öffnung für westliche Ideen und Einflüsse in Folge große gesellschaftliche Veränderungen, die nicht zuletzt auch die Organisation, die Bewaffnung und Ausrüstung des Militärs umfassten. So gelangten ab 1867 wohl fast 14.000 Zündnadelgewehre vom System Doersch & v. Baumgarten in das Fürstentum Kii. Die neue kaiserliche Meiji-Regierung bezog 1871 5.700 nicht näher bezeichnete Zündnadelgewehre und -karabiner von der Handelsfirma L. Kniffler. Die Garnison Osaka erhielt zur Mitte der 1870er Jahre Zündnadelgewehre M 62.]
[…]
Eine in der Sammlung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden bislang wenig erforschte Waffe ist das Zündnadelgewehr mit der Inventarnummer BAAE8621. Aufgrund seiner Markierungen, die einen Bezug zu Japan herstellen, ergeben sich viele Fragen zu dessen Entstehung und Nutzung sowie zum späteren Zugang in die Museumssammlung. Das betreffende Zündnadelgewehr ist 1.140 mm lang und wiegt 3.995 g. Der gebräunte Lauf hat eine Länge von 860 mm, verfügt über fünf Züge und das Kaliber ist 14 mm. […]


Die Waffe trägt an mehreren Stellen Markierungen, die auf dessen Herstellung und die Nutzung verweisen. Auf der linken Seite des Laufes findet sich die Seriennummer 10806, die auf dem Hülsenkopf deutlicher lesbar wiederholt wird. Ebenso auf dem Hülsenkopf, aber oben, findet sich ein mon-Stempel in Form einer stilisierten, 16-blättrigen Chrysanthemenblüte die für das japanische Kaiserhaus steht und als der Eigentumsnachweis der kaiserlichen Streitkräfte verwendet wurde. Auf der rechten Seite der Hülse ist als Herstellerangabe F. v. Dreyse Sömmerda und ein heraldischer preußischer Adler als Prüfstempel aufgebracht. Auf der linken Hülsenseite sind kanji – japanische Wortschriftzeichen – zu sehen. Diese sind von oben nach unten gelesen die Ziffern 100, 8, 10 und 1 und lassen sich zusammengezogen als die Zahl 181 lesen. Beim letzten kanji ist zu vermuten, dass es sich um eine heute nicht mehr gebräuchliche Form für das Wort ban, also Nummer handeln könnte. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um eine individuell angebrachte Ziffernfolge bzw. Zahl eines japanischen Nachweissystems handelt, das bis dato nicht zugeordnet werden kann […].
Zusätzlich gibt es im Holz einen Brandstempel in Form einer Kartusche mit zwei weiteren kanji, die als buko gelesen werden können, was auf Deutsch Waffenkammer bedeuten kann. Es handelt sich bei dem Zündnadelgewehr wahrscheinlich um kein beim preußischen Militär oder einem anderen deutschen Staat eingeführtes Waffenmuster, was die Angabe einer möglichen genauen Modellbezeichnung erschwert. Zeitlich ist das Waffenmuster in die Ära von Franz von Dreyse (1822–1894) einzuordnen. […]


Aus welcher Lieferung die Waffe kam bzw. ob diese von vornherein für die kaiserliche japanische Armee beschafft wurde oder aus später übernommenen Beständen anderer Nutzer stammte, die zuvor in Kämpfen das Shogunat oder das Kaiserhaus unterstützten, ist so nicht feststellbar.
[Fortsetzung im gedruckten Heft]