Ausgabe Nr. 497

Zeitschrift für Heereskunde
Juli/September 2025
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Aus der Redaktion

Mitunter wird die Uniformkunde, die ein wichtiges Teilgebiet der Heereskunde ist, lächelnd als Knopfologie abgetan. Dass man aus verloren gegangenen und wiedergefundenen Knöpfen durchaus neue Erkenntnisse zur Geschichte der Bekleidungswirtschaft und zur Uniformkunde der altpreußischen Armee gewinnen kann, zeigt ein Beitrag in diesem Heft. Dessen Verfasser Jürgen Hellwig begrüßen wir hiermit als neuen Autor. Neben seinem Beitrag widmen sich gleich zwei weitere Beiträge archäologischen Themen. Man erkennt beim Lesen, dass die häufig von ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern wie Jürgen Hellwig und Christoph Malcherowitz durchgeführten Erkundungen und Ausgrabungen auch für die Heereskunde interessante Erkenntnisse bringen. Und ein zusammenfassender Beitrag zeigt auf, dass in Deutschland doch mehr historische militärische Lagerflächen und Gefechtsfelder professionell unter sucht wurden und werden als gedacht.
Auch wenn die Heereskunde weiterhin ein vorrangig von Männern bearbeitetes Gebiet zu sein scheint, so soll an dieser Stelle den Frauen gedankt werden, die am Gelingen dieses Heftes einen Anteil haben. Vermutlich ist manche Ehefrau oder Lebensgefährtin froh, dass ihr Partner mit seinem Hobby einer sinnvollen und beim Schreiben auch nicht störenden Beschäftigung nachgeht. Manche Frauen unterstützen aber aktiv das Hobby ihres Mannes. So fand unser Mitglied Wolfgang Klepzig Unterstützung in seiner Frau, die für seinen Beitrag die aufgezäumten Pferde perfekt ins rechte Licht gesetzt hat. Man sieht an diesem Beitrag, wie auch an den anderen Beiträgen, dass neben einem gut recherchierten Text gute Bilder immens wichtig sind. Mit gut ausgeleuchteten, scharfen Aufnahmen vor neutralem, einfarbigen hellen Hintergrund erleichtern Sie uns als Redaktion die Arbeit und nicht zuletzt Patricia Schiek von Xdream Werbe-Support, die seit vielen Jahren unsere Zeitschrift setzt und Ihre Beiträge optisch glänzen lässt. Dass auch ihr Mann daran einen verdienten Anteil hat, soll nicht unerwähnt bleiben.
Mit herzlichen Grüßen auch an Ihre Lebenspartner und -partnerinnen

Ihr Werner Trolp und Ulrich Herr

Nachfolgend lesen Sie hier Auszüge von beispielhaften Beiträgen in unserer Zeitschrift Nr. 497 (aus Platzgründen ohne Anmerkungen bzw. Fußnoten):

 

Preußische Knöpfe aus dem Heerlager zu Reckahn von 1741

von Jürgen Hellwig

In Beiträgen über die preußische Armee des 18. Jahrhunderts fiel mir oft auf, dass Regimentern sowohl die durch zeitgenössische Bilder und Originale belegten spezifischen Uniformen als auch spezielle Knöpfe zugeordnet wurden. Dieser Aufsatz soll die Frage anregen, ob in dem Zeitraum vom Ende der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. bis zum Anfang der Regierungszeit Friedrichs II. die Beknopfung nicht doch nur auf Kompanie ebene einheitlich war.

Ein Paar Knöpfe, Bodenfunde aus dem preußischen Heerlager zu Reckahn 1741 (Foto: Autor)

Nur sechs Kilometer südlich vom Bahnhof Brandenburg/ Havel entfernt beginnt die Fläche des ehemaligen preußischen Heerlagers von 1741. Entlang einer Höhenlinie zwischen Krahne, Reckahn und Göttin trifft man auf eine Steinpyramide mit einer angebrachten Tafel, die auf jenes Heerlager hinweist. Vor allem diente sie dazu, an die Verwüstung der Ackerflächen und Waldungen durch die damaligen Lagerinsassen zu erinnern. Marschlager gab es in Abständen auf den alten Heerstraßen einige, aber das Besondere an diesem Heerlager war, dass sich hier ab Ostern 1741 für sechs Monate ein Drittel des preußischen Heeres befand. Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau, beauftragt von König Friedrich II., musste in diesem Gebiet ein Feldlager organisieren, um das Kernland gegebenenfalls vor einem Angriff zu schützen und dem König den Rücken für seinen Kriegszug in Schlesien freizuhalten. Grundlegende Informationen zu diesem Heerlager stammen weitestgehend aus dem Buch des Lehrers und Brandenburger Stadthistorikers Frank Brekow „Das preußische Heerlager zu Reckahn 1741“. Sein Buch führte mich erst zu dieser im Aufsatz beleuchteten Thematik.

26 Regimenter mit ca. 42.000 Angehörigen lagerten hier in zwei Linien. Obwohl diese Zahl an Uniformierten wohl nur theoretisch zu Buche steht. Rechnet man jedoch den von mir überschlagenen Tross mit 7.000 Angehörigen dazu, so wurde diese angegebene Gesamtzahl wohl erreicht. Die Lagerform „en Parade“, also ein Gassenlager, konnte später an Hand der Funde nachgewiesen werden. Auch die vorgefundene Anordnung der beiden Lagerlinien entsprach gleichzeitig der einzunehmenden Kampflinie und stimmten mit dem Plan von Oesfeld1 überein (Abb. 2). Um die Größe zu veranschaulichen, die Länge der ersten Linie maß 4.660 m, die zweite Linie folgte mit einem Abstand von 420 m dahinter. Der hinter der Linie in der Tiefe eingenommene Platz der Uniformierten mit Tross dürfte mit 200 m angenommen werden, da ab 180 m die Funddichte der Knöpfe allmählich nachlässt.

1. Bodenfunde vom ehemaligen Heerlager
Die Monturen der Unteroffiziere und Mannschaften zu dieser Zeit glänzten durch goldige oder silberne Farbtupfer, die durch Knöpfe gebildet wurden. Bei der Infanterie säumten bis zu 75 Knöpfe die Montur. Darum ist es nicht verwunderlich, dass die größte Fundgruppe mit 70 Prozent der Bodenfunde, die der Metalldetektor aufspürte, die Knöpfe darstellen. Allerdings, bei den Kürassieren kamen nur drei Knöpfe an der Montur vor, ohne die Beknopfung an den Hosen gerechnet. Die Dragoner mit Stiefeln trugen wiederum weniger Knöpfe gegenüber den Musketieren, da diese meist noch 24 oder mehr Gamaschenknöpfe trugen. Diese unterschiedlichen Beknopfungsmengen stellten eine gute Grundlage dar, um verschiedenste Waffengattungen an Hand der unter schiedlich im Boden gefundenen Knopfmengen zu identifizieren.

Der momentane Stand der Fundmenge umfasst 5.300 Gegenstände jener Zeit in 14 besonderen Fundgruppen. Teile von Haushalts- und Gebrauchsgegenständen sowie Zierrat und Geräteteile zählen in der Auflistung nicht mit. […]

Fundgruppen in Prozent
Knöpfe = 70%, Münzen = 10,5%, Schnallen = 5,9%, Tonpfeifen-Reste = 4,7%, Musketenkugeln = 3,5%, Tragehaken = 1,3%, Fingerhüte = 1%, Pfeifendeckel = 0,9%, Petschafte = 0,6%, Uhren-Schlüssel = 0,5%, Gewichte/Spielsteine = 0,4%, Verschlüsse von Flaschen = 0,3%, Buchschließen = 0,2%, Heiligenanhänger = 0,2%.
In diesem Beitrag interessieren aber nur die Knöpfe, d.h. die Knopfsorten mit ihren von mir zugeordneten Knopfnummern und den Fundmengen. Die Knopfsorten werden im Aufsatz mit einer Ordnungsnummer versehen und teilweise mit „Kn.“ abgekürzt.

2. Knopfaufkommen auf der ehemaligen Lagerfläche
Auf den Flächen von Reckahn fanden schon immer Detektorgänger viele preußische Militär- und andere Knöpfe. Keiner machte sich die Mühe, diese zu kartieren, da oft immer ähnliche Knöpfe auftauchten und sich mit der Zeit das Interesse verlor. Aus den Veröffentlichungen Hans Bleckwenns2 war bekannt, dass entsprechende Regimenter nur bestimmte Knöpfe tragen sollten.3 Somit war die Idee geboren, alle Flächen systematisch abzusuchen, um die Standorte der Einheiten zu lokalisieren. Zumindest sollten auf Bataillonsflächen der Infanterie von 134 m Breite gleiche Knöpfe auftreten. Auch wenn in dem halben Jahr des Lagers einige Regimenter die Position an den Linien gewechselt haben sollten, würden dann eben mehrere Knopfsorten dominant auf dieser Fläche vorkommen.
Nach zwei Jahren Tätigkeit mit der Sonde traten die beiden Linien erstmalig deutlich zu Tage und entlang dieser Linien wurde begonnen, alles systematisch abzusuchen. Das Gebiet hinter den Linien teilte ich in kleine Flächen von einem „Morgen“ mit je 25 m x 100 m ein, die bei jeder Tour abgesucht werden mussten. Erstaunlicherweise, nur wenige zehn Meter vor der Linie, trat nur eine Knopfdichte von 20 Knöpfen pro Hektar auf, jedoch sofort ab der Linie bis ca. 50 m dahinter, lag die Knopfdichte bei 80 Knöpfen pro Hektar, in einigen speziellen Fällen sogar bis 160 Knöpfe pro Hektar. Bei diesem letzten Beispiel handelte es sich um jene sogenannten „Knopf-Abtrenn-Aktionen“. Kollegen, die nur 20 m vor oder 220 m hinter dem Lager nach Funden suchten, fanden oft nichts und meinten, hier kann das Lager nicht gewesen sein. Alles scheint doch scharf abgegrenzt. […]

3. Knopfsystematik für preußische Militär- und Trossknöpfe des 18. Jahrhunderts
Die erstellte Darstellung über die Nummerierung der Knopfgruppen, die im Bereich des ehemaligen Heerlagers auf rund eintausend Hektar vorkamen, dürfte nach zehn Jahren Detektorarbeit fast vollständig sein. Auch Kollegen aus drei Bundesländern hatten auf meine Anfrage hin keine anderen Militärknopfsorten gefunden. Allerdings erwähnte Hans Bleckwenn in seinen Werken noch weitere gemusterte Garnisonsknöpfe. Vor allem auf der von ihm angefertigten Knopfkarte, auf der er unter den darauf befestigten Knöpfen jeweils eine Regimentszuordnung vermerkt hat, kann noch so mancher seltene Knopf entdeckt werden. Diese Knopfkarte befindet sich im Armeemuseum Friedrich der Große auf der Plassenburg ob Kulmbach.

Knopfsystematik, Militär- und Trossknöpfe Preußen 18. Jahrhundert mit 23 Knopfgruppen. Vom Autor anhand der Boden funde in Reckahn erstellt. Die Anzahl der jeweils gefundenen Knöpfe ist in blauen Ziffern dargestellt.

Ursprünglich sollten in der Knopfsystematik die Knopfsorten die Nummern der Regimenter bekommen, welche diese vorrangig trugen. Leider existierten auf der Knopfkarte für die meisten Regimenter im Heerlager keine Knopfvorgaben, nur für fünf Regimenter war dies der Fall. Daher wurde nach den folgenden Kriterien eine eigene Nummerierung der Sorten vorgenommen. Ein Kriterium war die die Häufigkeit ihres Vorkommens. Der Knopf Nr. 1 ist mit 40 Prozent Vorkommen der häufigste aufgefundene Knopf. Andere Merkmale, wie Ein- und Mehrteiler, Stegösen und Drahtösen sowie Militär- und Tross – knöpfe, als auch die Materialien der Knöpfe (Messingknöpfe, Weißmetallknöpfe, Zinnknöpfe) spielten ebenfalls bei der Erstellung der Systematik eine Rolle.
Die Knopfgruppen mit Nummerierung müssen im Zusammenhang mit ihrer prozentual gefundenen Häufigkeit im Heerlager betrachtet werden. Bei den Mannschaftsknöpfen haben wir entweder in großen Mengen auf tretende Gruppen, wie die fünf Grundknöpfe oder aber viele schön gemusterte Knopfgruppen mit sehr geringem Aufkommen. Konkret sind aus der Systematik folgende Schlüsse zu ziehen. Von den 23 Knopfgruppen spielen beim Militär insbesondere bei der Infanterie nur sechs Knopfsorten mit 80 Prozent Fundanteil eine tragende Rolle, dass sind vor allem die fünf Grundknöpfe, bei denen ein gewölbter Hohlknopf dabei ist. Der Fundanteil dieser Grundknöpfe aus Messing sind folgende: Knopf Nr. 1 = 40%; Knopf Nr. 2 = 8%; Knopf Nr. 3 = 5%; Knopf Nr. 4 = 7% und Knopf Nr. 62 = 13%.

Fünf Grundknöpfe der preußischen Armee nach den Funden vom Heerlager in Reckahn 1741.

Diese fünf Grundknöpfe mit goldig gelber Farbe dürften wohl über hundert Jahre lang bis 1815 die Grundlage der Armee-Beknopfung gebildet haben.
Auffällig ist der gewölbte Hohlknopf Nr. 62 mit dem zweithäufigsten Anteil überhaupt von 13 Prozent, auf allen Flächen des Lagers gut verteilt. Sowohl bei der Kavallerie wie bei der Infanterie, sowohl im vorderen wie im hinteren Bereich der Bataillone, kam er vor. Die Formenvielfalt des Knopfes Nr. 62 ist sehr groß, darum mussten intern noch Untergruppen eingefügt werden.
Es gab in dieser Gruppe sieben Prozent weiße und der Rest gelbe Knöpfe, die durch die einheitlich grün graue Patina von außen nicht zu unterscheiden waren. Nur durch Anschliffe gab jeder Knopf seine ursprüngliche Farbe, entweder weiß oder gelb, preis.

[Fortsetzung im gedruckten Heft]