Dirk Ziesing:
Das Zündnadelgewehr im Verbandkasten
Oder: Die unglaubliche Geschichte des Dreiecktuches
Das dreieckige Verbandtuch ist in seiner Verwendung zur Ruhigstellung eines verletzten Armes allseits bekannt. Die Geschichte der bebilderten Ausführung offenbart allerdings Erstaunliches: Eine um 1870 für das preußische Heer entworfene Darstellung setzte sich weltweit durch und hat auch mehr als hundert Jahre später nicht an Bedeutung verloren.
Im Jahre 1873 entwarf der hochrangige Militärarzt Friedrich von Esmarch ein bebildertes Verbandtuch. Darauf ist auch eine Waffe zu sehen, die dem damaligen Stand der Technik entspricht. Es ist kaum zu glauben, dass dieses Tuch in unveränderter Ausführung noch 1960 in Verbandkästen deutscher Autofahrer enthalten war. Doch damit nicht genug: Im Golfkrieg der jüngeren Vergangenheit wurden auf irakischer Seite Verbandtücher nach diesem Muster verwendet.
In seinen Aufzeichnungen berichtet Esmarch, dass auch er 1864 eine weiße Armbinde mit dem roten Kreuz trug. Die zivilen Sanitätskräfte waren zu dieser Zeit zwar noch nicht organisiert, aber es waren bereits 118 Frauen (zumeist katholische und evangelische Ordensschwestern) und 40 Männer (darunter Mitglieder des Johanniter-Ordens) in den preußischen Feldlazaretten tätig. Im August 1864 wurde dann die erste Genfer Konvention von zwölf europäischen Staaten unterzeichnet.
1866 wurde Professor Esmarch in die Reichshauptstadt berufen und übernahm die chirurgische Leitung aller Berliner Lazarette. Im deutsch-französischen Krieg wurde er zum Generalarzt und obersten Militärchirurgen ernannt. Daneben organisierte er die freiwillige medizinische Hilfe zunächst in Kiel und in Hamburg und übernahm später die Leitung des großen Barackenlazaretts auf dem Tempelhofer Feld in Berlin. Nach Kriegsende kehrte er nach Kiel zurück, wo er 1872 in zweiter Ehe Prinzessin Henriette von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg heiratete, eine Tante des späteren deutschen Kaisers Wilhelm II. Von diesem wurde Friedrich Esmarch 1887 in Anerkennung seiner Verdienste geadelt. Zehn Jahre später ernannte man ihn zunächst zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Tönning, und 1902 wurde ihm die gleiche Ehre in Kiel zuteil.
Außer dem Dreiecktuch wurde von Esmarch besonders bekannt durch die nach ihm benannte Blutleere in Gliedmaßen vor einer Operation mittels Umschnüren mit einer Gummibinde. Vor der Einführung dieser künstlichen Blutleere wurde selbst bei Amputationen keine besondere Rücksicht auf die enormen Blutverluste genommen.
Ferner wird der sogenannte Esmarch-Handgriff zum Vorschieben des Unterkiefers heute noch angewandt, um bei Bewusstlosen die Erstickungsgefahr zu bannen. Weiterhin stellte Esmarch 1877 einen von ihm entwickelten Narkoseapparat auf Chloroformbasis vor.
Auf der 1876 in Philadelphia stattfindenden Weltausstellung beeindruckte das Deutsche Reich im Besonderen durch neuartige Geschütze aus Krupp-Stahl. Daneben war allerdings auch Friedrich Esmarch vertreten, der “Verbände, Apparate und Abbildungen zur Krankenpflege” ausstellte. Schließlich geht auch der Begriff „Erste Hilfe“ auf Professor von Esmarch zurück.
Der Verfasser berichtet weiter ausführlich über den Ursprung des “ersten Verbandes auf dem Schlachtfelde … mit Hilfe dreieckiger Tücher”, über Wundhygiene, das Dreiecktuch von 1873, das Zündnadel-Füsiliergewehr M 1860 auf dem Verbandtuch sowie über die Verbreitung und die militärische und zivile Verwendung des Dreiecktuchs.
Wolfgang Friedrich:
Die Gendarmerien und deren Uniformen in napoleonischer Zeit
Teil 2 – Die Königreiche Italien, Neapel und Westphalen, das Großherzogtum Berg
und das Herzogtum Warschau / die provisorische Verwaltung von Litauen
Nach französischem Vorbild erfolgte in den Jahren der Herrschaft Napoleons in vielen deutschen Staaten die Gründung von Gendarmerien, die hauptsächlich im ländlichen Gebiet zum Einsatz kamen und als militärisch organisierte Formation Einheit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienten.
Im ersten Beitrag [Zeitschrift für Heereskunde Ausgabe 551] berichtete Wolfgang Friedrich über die französische Gendarmerie als Vorbild.
Im dieser Ausgabe behandelt er die Gründungen in den von Napoleon bzw. dessen Verwandten regierten Königreichen Italien, Neapel und Westphalen sowie dem Großherzogtum Berg und das Herzogtum Warschau / die provisorische Verwaltung von Litauen. Weitere Artikel über die Rheinbundstaaten: Bayern, Sachsen, Württemberg, Hessen-Darmstadt sowie Sachsen-Gotha-Altenburg und das Königreich Preußen sowie Russland folgen.
Frank Buchholz:
Amerikanische Revolver im Einsatz bei der Preußischen Marine
Anfang August 1855, auf dem Höhepunkt des Krimkrieges zwischen Russland auf der einen Seite und England, Frankreich, dem Osmanischen Reich und dem Königreich Sardinien auf der anderen Seite, als die Belagerung der russischen Festung Sewastopol ihrem Ende entgegen ging (Sewastopol fiel am 8. September 1955 in die Hände der Alliierten), rumpelte eine Kolonne von Fuhrwerken von Belgien aus über die preußische Grenze bei Aachen. Die Fuhrwerke hatten 145 Ballen amerikanische Baumwolle geladen, die auf dem Landwege von Antwerpen an ein russisches Handelshaus in St. Petersburg geliefert werden sollten. Die Baumwollballen wurden durch den preußischen Zoll durchsucht – immerhin war Preußen im Krimkrieg neutral und musste in dieser Rolle die Lieferung von Waffen an die Kriegsparteien unterbinden – und man entdeckte und beschlagnahmte 3.480 Revolver des Colt-Modells 1851 “Navy” (die werksseitige Bezeichnung der Firma Colt lautet “Belt Pistol Model 1851”) zusammen mit zugehörigen Kugelgießzangen, Pulverflaschen und Zündkapseln.
Dieser Versuch einer illegalen Waffenlieferung über das Gebiet eines neutralen Staats führte nicht nur zum Totalverlust der Waffen einschließlich Zubehör im Wert von über 80.000 $, hinzu kam eine erhebliche Zollstrafe an die preußische Regierung, die den Schaden für Colt auf die gewaltige Summe von etwa 100.000 $ erhöhte – nach heutiger Währung wohl mehr als 15 Millionen €!
Für Colt war diese Lieferung von Waffen in ein Kriegsgebiet, um es mit heutiger Wortwahl zu sagen, finanziell äußerst verlockend: konnte er seine Revolver des Modells 1851 “Navy” an die amerikanische Marine oder Armee für einen Preis von etwa 13 – 15 $ pro Stück verkaufen, war das mit dem Rücken zur Wand im Angesicht der Niederlage stehende Russland bereit, etwa 25$ pro Revolver mit Zubehör zu bezahlen. Darüber hinaus führte die Aufdeckung dieses Waffenschmuggels zu einer ziemlich unangenehmen diplomatischen Situation. Zar Nikolaus I. und König Friedrich Wilhelm IV. einigten sich im Nachhinein auf die Sprachregelung, dass die Revolver von polnischen Aufständischen illegal ins Land gebracht werden sollten – also ohne Wissen der russischen Regierung. Damit hatte der Zar eine reine Weste und die preußische Neutralität war gewahrt…
Der Autor berichtet weiter über die Colt Revolver mit „KM“ Stempel, die eine höchst spannende Phase in der Bewaffnungsgeschichte deutscher Streitkräfte in der ausgehenden Ära der Vorderladersysteme widerspiegeln.
Mit ihrer Geschichte sind sie auch interessante Belegstücke aus der Frühzeit der Firma Colt, in der Colonel Samuel Colt rastlos bemüht war, seine Revolver mit allen legalen und auch illegalen Mitteln bekannt zu machen und an den Mann zu bringen
Rolf Noeske:
Die Paukenfahnen des Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoversches) Nr. 13
Paradepaukenbehänge haben in der Gestaltung etwas Faszinierendes und so konnte ich eines Tages bei einem Auktionshaus eine farbige Darstellung der Behänge des Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoversches) Nr. 13 erwerben.
Das Blatt ist mit “Ludwig Scharf” signiert, ob es sich tatsächlich um ein Original handelt, möchte ich dahingestellt sein lassen. Ein Foto der Hof-Kunststickerei-Anstalt P. Bessert-Nettelbeck zeigt den gesamten Behang…
Im folgenden Beitrag beschreibt der Verfasser den Hintergrund, der zur Verleihung von Pauken und der Paradepaukenbehänge führte.
Gerhard Große Löscher:
Der Säbel für hannoversche Husarenoffiziere 1838 bis 1852
Erneut greift der Verfasser dieser Zeilen einen Text mit Abbildung des Hans Georg von Gusovius (künftig abgekürzt: v.G.) auf; Thema ist der “Säbel für Offiziere der beiden Husarenregimenter 1838 bis 1852”. Eine Archivrecherche zu den Ausrüstungsgegenständen der Husarenoffiziere und der inzwischen erfolgte Verkauf der Blankwaffen aus dem Bestand der Welfensammlung (Schloss Marienburg) ermöglichen eine kritische Würdigung des nunmehr vor 36 Jahren publizierten Beitrags Herrn von Gusovius. Der Verfasser versucht nachzuweisen, dass der hannoversche Husarenoffiziersäbel in der Ernst August Ära ein durchaus eigenständiges Modell in der großen Gruppe der “Löwenkopfsäbel” darstellt und in diesem Falle nicht – wie bei der Änderung des Säbelmodells für Offiziere der leichten Bataillone geschehen – einem preußischen Muster folgt.
In der “Beschreibung der Uniform-Stücke für Königl. hannoversche Husaren Offiziere” aus dem Jahre 1838 wird zum Unterpunkt „Säbel“ im ersten Satz festgestellt: “Die Säbel sind nach einem veränderten Modell, …”. Auskunft über das alte Modell gibt v.G.: “Bis 1838 haben die Husarenoffiziere Säbel mit eisernem Griff geführt.” Bei diesem Modell handelte es sich um eine Offizierversion des britischen Säbels für leichte Kavallerie pattern 1796, wie es sich auf einigen zeitgenössischen Abbildungen der Leopold-Uniformserie zeigen lässt.
H.G. von Gusovius bezieht sich auf den von ihm gezeichneten Löwenkopfsäbel (im folgenden “Celle-Säbel” genannt) und schreibt, dass König Ernst-August die Einführung eines Säbel nach preußischem Muster befohlen und das Kriegsministerium mit Ordre vom 11. August 1838 siebendreißig Stück davon beim Hof-Schwertfeger Seeliger in Hannover für beide Regimenter bestellt habe. Das Original der Bestellung konnte bisher nicht gefunden werden, allerdings hat sich unter anderem ein Löwenkopfsäbel aus dem Marienburgbestand erhalten, auf dessen Scheideninnenseite sich die Lieferantengravur “C. Seeliger/Schwertfeger/in/Hannover” befindet (im folgenden “Seeliger-Säbel” genannt).
Vorläufig ist festzuhalten: 1. Die Akte der Beschreibung der Husarenuniformstücke kannte v.G. nicht, ein entsprechender Benutzervermerk ist nicht enthalten. Allerdings ist sich v.G. sicher, dass die Husarenoffiziere ab 1838 einen Löwenkopfsäbel bekommen und erklärt den abgebildeten und bemaßten Säbel aus dem Bomann-Museum Bestand zu dem hannoverschen Modell.
Die vorher genannten Säbel werden vor dem Hintergrund der Waffenbeschreibung aus der Akte miteinander verglichen. Die Beschreibung in der Akte ist für jene Zeit schon ziemlich ausführlich, eine Zeichnung ist leider nicht vorhanden. Interessierte, die damals über das Aussehen und Ausführung der beschriebenen Stücke etwas Genaueres wissen wollten, wurden mit dem Hinweis “Alle Modelle können auf der Königlichen General-Adjudantur eingesehen werden” beschieden…
Horstmar Bussiek:
Eines Deutschen Karriere in der Fremdenlegion
Fortsetzung des Berichtes über Leben und Karriere eines Fremdenlegionärs aus Hamburg
(1. Teil: Zeitschrift für Heereskunde Ausgabe 448).
Der Verfasser gibt weitere Einblicke in die Vorstellungswelt und das Leben dieser außergewöhnlichen Truppe.
Außerdem dürfen Sie in Ausgabe 452 erwarten:
- – Kurioses aus den Sammlungen unserer Mitglieder: Briefumschlag und Sonderstempel
zum Jubiläum 25 Jahre Offiziershochschule “Franz Mehring” - – Aufgelesen: “Das einzige Regiment, das in seinem Namen ein Komma hat”
- – Das besondere Objekt:
Epaulette eines Offiziers des preußischen 2. Garde-Ulanen-(Landwehr-) Regiments - – Veranstaltungshinweise:
Deutsche Meisterschaften der Kavallerie auf dem Boxberg bei Gotha
- – Informationen aus der Gesellschaft und den Arbeitskreisen
- – Buchbesprechungen / Rezensionen