Die Jahreshauptversammlung 2024
fand vom 02. bis 4. Mai in Wiener Neustadt (Österreich),
zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Heereskunde statt.
Ein Bericht von unserem Sekretär Holger Hase, Dresden, in Auszügen. Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Heft Nr. 494, S. 218-224.
Nachdem die Deutsches Gesellschaft für Heereskunde e.V. ihr 125-jähriges Bestehen im Jahr 2023 standesgemäß am Gründungsort Berlin gefeiert hatte, stand in diesem Jahr ein weiterer Höhepunkt des Vereinslebens an: die Ausrichtung des jährlichen Treffens in Österreich. In enger Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Heereskunde, deren Präsident, Dr. Erwin A. Schmidl, in ganz hervorragender Art und Weise die Vorbereitung unterstützt hat, wurde ein hochkarätiges Programm zusammengestellt, das ohne Frage zu den inhaltlich dichtesten der letzten Jahre gehörte. Hinzu kam der exklusive Tagungsort: die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, deren Räumlichkeiten der Gesellschaft in großzügiger Art und Weise zur Verfügung gestellt wurden. Hier gilt es, einen herzlichen Dank an das österreichische Bundesheer auszusprechen, insbesondere Herrn Akademiekommandanten Generalmajor Karl Pronhagl, der dies ermöglichte. Insgesamt erlebte die Deutsche Gesellschaft für Heereskunde e.V. bei dieser Jahreshauptversammlung in Österreich eine Unterstützung, wie man sie in den letzten Jahren in Deutschland leider nur noch sehr selten erlebt hat.

Exkursionstag
Der Exkursionstag startete mit einem Rundgang durch die Theresianische Militärakademie. Sie ist die Ausbildungsstätte und Heimat der Truppenoffiziere des Österreichischen Bundesheeres. Die Akademie wurde am 14. Dezember 1751 von Maria Theresia mit dem Auftrag an den ersten Kommandanten, Feldmarschall Leopold Joseph Graf von Daun (1705–1766), „Mach er tüchtige Offiziere und rechtschaffene Männer daraus“, gegründet und ist somit die älteste aktive, durchgängig der Offiziersausbildung gewidmete Militärakademie der Welt. Die Unterbringung der Lehreinrichtung erfolgt seit dieser Zeit bis heute in der Burg von Wiener Neustadt, die auf eine über 800-jährige Geschichte zurückblickt und als habsburgische Residenz zeitweise Sitz der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war. Diesem Kapitel widmete sich auch der erste Teil des Rundganges durch die Liegenschaft.
Diesem Kapitel widmete sich auch der erste Teil des Rundganges durch die Liegenschaft. Die Tour begann im Burghof mit dem Blick auf die Wappenwand der St.-Georgs-Kathedrale. Kaiser Friedrich III. (reg. 1452–1493) ließ diese beeindruckende Fassade errichten, die ihn und das Haus Österreich verherrlichen sollte. Vom Hof ging es danach in die St.-Georgs-Kathedrale. Die spätgotische, dreischiffige Hallenkirche wurde von 1440 bis 1460 von Peter von Pusica erbaut. Infolge der eigentümlichen Anlage der Kirche über der Haupteinfahrt der Burg fehlen das Querschiff und das Presbyterium. Neben der Funktion als Gottesdienst- und Andachtsraum für den kaiserlichen Hof sollte die Kirche auch als Mausoleum für Friedrich III. und seine Gemahlin, Eleonore von Portugal, dienen. Dazu kam es jedoch nicht. Stattdessen wurde hier sein Sohn, Kaiser Maximilian I. (reg. 1508–1519), bekannt als „der letzte Ritter“, beigesetzt. Maximilians Leben war eng mit Wiener Neustadt verbunden. Getreu seinem Testament wurde er in seiner Taufkirche, der St.- Georgs-Kathedrale, unter den Stufen des damaligen gotischen Hochaltars bestattet.
Was die Frauen und Männer erwartet, die sich heutzutage der Offiziersausbildung unterziehen, konnte man auf einer Großbildleinwand erleben, auf der ein hochprofessioneller Imagefilm in Kinoqualität des österreichischen Bundesheeres gezeigt wurde.

Am Nachmittag stand eine Ausfahrt zur Burg Forchtenstein auf der Tagesordnung. Forchtenstein, nur 15 Kilometer Luftlinie von Wiener Neustadt entfernt, ist eng mit dem Namen Esterházy verbunden. Diese bedeutende ungarische Adelsfamilie erlangte 1622 die Herrschaft über die Burg und baute sie über die Jahrhunderte systematisch zu einer Art Tresor für den eigenen Besitz aus. Hinter dicken Mauern und mit komplizierten Sperrmechanismen verschlossen, richtete Fürst Paul I. (1635–1713) ab 1692 im Herzen der Burg Forchtenstein eine Schatzkammer, eine der wenigen an ihrem Originalstandort erhalten gebliebenen Kunstkammern Europas, ein.
Darüber hinaus beherbergt Forchtenstein heute die größte private Waffen- und Zeughaussammlung des Kontinents. Grundstock dieser Sammlung bildete das im 18. Jahrhundert eingerichtete Arsenal, welches vor allem der Ausrüstung des Husarenregimen tes Esterházy (später als HR 24 bekannt) diente. Dieses Regiment erwarb sich während der Schlesischen Kriege einen legendären Ruf. Vor allem wurde gegen die Preußen gekämpft, so 1742 in der Schlacht von Caslau, 1745 bei Hohenfriedeberg, 1757 bei Prag und Leuthen. 1760 waren die Esterházy-Husaren an der Eroberung Berlins und Potsdams beteiligt. Die dabei eingebrachte „Preußenbeute“ stellt einen kulturhistorischen Schatz erster Güte dar, der kaum Vergleichbares kennt. Neben Gewehren, Offizierspontons, Grenadiermützen, Taschen und Säbeln sind diesbezüglich vor allem die äußerst seltenen Zelte, darunter ein seidenes Feldherrenzelt, hervorzuheben.
Von besonderem Interesse ist auch das so genannte Insurrektionsdepot aus der Zeit der Koalitionskriege. Es wurde 1797 von Fürst Nikolaus II. (1756–1833) angelegt und bestand aus einem Zeughaus mit drei Kammern. Im Obergeschoss wurden Handfeuerwaffen gelagert. Das darunter liegende Geschoss barg eine Lederkammer mit Sätteln, Zaumzeug und Pistolentaschen. Im Kellergewölbe wurden Artilleriezubehör, Trainwagen und Kleinkanonen untergebracht.
Der Erhaltungszustand der Objekte und die originalgetreue Anordnung im historischen Zeughausbau ist einzigartig und beeindruckend, auf jeden Fall einen Besuch wert.
Nach dem Besuch der Esterházy-Sammlungen auf Burg Forchtenstein wurde die Exkursion mit einem Besuch der Gedenkstätte für das Paneuropäische Picknick 1989 in der Nähe von Sopron (Ödenburg) fortgesetzt. Das Paneuropäische Picknick war eine Friedensdemonstration ungarischer Oppositioneller an der ungarisch-österreichischen Grenze zwischen Sopron und Sankt Margarethen im Burgenland am 19. August 1989. Sie wird heute als Meilenstein jener Vorgänge gesehen, die zum Ende der DDR, zur deutschen Wiedervereinigung und zum Zerbrechen des Ostblocks führten.

Vortragsreihe
Das Vortragsprogramm am Samstagvormittag fand im Maria-Theresien-Rittersaal der Theresianischen Militärakademie statt. Der Saal ist der Fest- und Ehrensaal der Akademie. Hier erfolgt die Verleihung des Jahrgangsabzeichens an jeden neuen Offiziersjahrgang.
Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch den Akademiekommandanten, Herrn Generalmajor Karl Pronhagl, folgte zunächst außerplanmäßig ein Vortrag von Herrn Oberst Dr. Markus Reisner, Leiter des Institutes 1 für Offiziersgrundausbildung an der Theresianischen Militärakademie, zum aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Herr Oberst Reisner analysiert seit Beginn des Krieges in der Ukraine auf dem Youtube-Kanal des österreichischen Bundesheeres regelmäßig ukrainische und russische Militärtaktik. Er ist seitdem ein gefragter Interviewpartner bei Medien und anderen Organisationen. Sein Vortrag befasste sich mit verschiedenen Aspekten des Konfliktes, so unter anderem mit den bisherigen Phasen des Krieges, den Verlusten der Ukrainer, den strategischen Interessen der Amerikaner, der hybriden Kriegsführung und der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Krieg beendet werden könnte. Dieser hochkarätige Vortrag eines international anerkannten Experten zu einem laufenden Krieg stieß bei Auditorium auf reges Interesse und war unzweifelhaft ein Höhepunkt der diesjährigen Tagung.

Danach wurde sich wieder traditionellen militärgeschichtlichen und heereskundlichen Themen gewidmet. Zunächst referierte Frau Dr. Claudia Reichl-Ham, Leiterin des Referates Publikationswesen/Bibliothek am Heeres geschichtlichen Museum in Wien, über die Kriege zwischen den Habsburger und den Osmanen. Sie gab einen hervorragenden Abriss zu diesem Thema, welches das Militärwesen Alt-Österreichs über Jahrhunderte nachhaltig geprägt hat. Es folgte ein Vortrag von Herrn Dr. Ilya Berkovich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich Geschichte der Habsburgermonarchie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der zum Personal- und Ersatzwesen der k.k. Armee in den Napoleonischen Kriegen berichtete. Dabei ging er insbesondere auf das Konskriptionssystem, die unterschiedlichen Reformkonzepte des Feldmarschall-Leutnants Mack von Leiberich bzw. des Erzherzogs Karl 1805/ 1806 sowie die Heeresergänzungen 1809 und 1813/1815 ein. In der anschließenden Kaffeepause stellten Reenactors des Infanterieregimentes Nr. 3 „Erzherzog Carl“ Uniformen, Waffen und Ausrüstung der Napoleonischen Ära vor. Dies war eine willkommene Auflockerung des wissenschaftlichen Vortragsprogramms und eine gute Ergänzung zu den Ausführungen von Herrn Dr. Berkovich.
Das Vormittagsprogramm wurde durch die Referate der beiden Vorsitzenden abgerundet. Zunächst beschäftigte sich Herr Dr. Erwin Schmidl mit der österreichischen Identität. Dabei ging es um geografische und historische Zuschreibungen sowie Kontinuitäten und Brüche des landsmannschaftlichen Selbstverständnisses. Eine eigen ständige österreichische Identität habe sich seiner Ansicht nach endgültig erst in den 1930er Jahren in der Auseinandersetzung mit Hitler herausgeschält. Daran knüpfte die Zweite Republik nach 1945 an.
„Die Eingliederung des österreichischen Bundesheeres in die deutsche Wehrmacht 1938“ war das Thema des Vortrages von Herrn Dr. Frank Wernitz. Mit der geschlossenen Übernahme und Vereidigung auf Hitler am 14. März 1938 sollte auch aus militärischer Sicht jeglicher Zweifel an der Legitimität des Anschlusses Österreichs beseitigt werden. Der Begriff „Österreich“ wurde durch „Ostmark“ ersetzt, um die mittlerweile entstandene eigenständige österreichische Identität zu schwächen. Erst im Verlaufe des Krieges habe die deutsche Seite wieder mehr regionale Identität zugelassen, wie die Umbenennung der 44. Infanterie-Division (am 01.04.1938 in Wien aufgestellt) in “Reichsgrenadier-Division Hoch- und Deutschmeister” am 01.06.1943 zeige.
Mitgliederversammlung
Der Samstagnachmittag war traditionell der Mitgliederversammlung gewidmet. Diese fand ebenfalls im Maria-Theresien-Rittersaal der Theresianischen Militärakademie statt. Es erschienen 31 stimmberechtigte Mitglieder der Gesellschaft. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der Gesellschaft, Herrn Dr. Frank Wernitz, erhoben sich die Anwesenden zum Gedenken an die sechs, seit der letzten Jahreshauptversammlung im Mai 2023 in Berlin, verstorbenen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Heereskunde e.V. … (Die Abhandlung der weiteren Tagesordnungspunkte können Sie im gedruckten Heft nachlesen)
Zum Abschluss der diesjährigen Jahreshauptversammlung fand noch ein festliches Abendessen im Hilton Garden Inn Hotel in Wiener Neustadt statt. Dabei würdigten beide Vorsitzenden, Herr Dr. Erwin A. Schmidl und Herr Dr. Frank Wernitz, nochmals die gute Kooperation zwischen der deutschen und der österreichischen Gesellschaft für Heereskunde und verliehen dem Wunsch Ausdruck, dass dies über den Tag hinaus Bestand haben möge. Damit ging diese überaus erfolgreiche Tagung, die viele bleibende Erinnerungen hinterlassen wird, zu Ende.
Holger Hase, Sekretär